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Elizabeth A. Bowman/Robert V. Stone: Reading Sartre's Second Ethics, hrsg. von Matthew C. Ally

Elizabeth A. Bowman/Robert V. Stone: Reading Sartre's Second Ethics, hrsg. von Matthew C. Ally (Lanham: Lexington Books 2023), xxv+397pp. ISBN: 9781793646514. € 117.37 (gebunden). ISBN 9781793646521. € 32.97 (epub).



Sartres Manuskript und Notizen zu seiner Ethik aus den 1960er Jahren blieben lange Zeit unzugänglich. Erst mit 40 resp. 50 Jahren Verzögerung wurde der größte Teil der Texte veröffentlicht: die Unterlagen, die Sartre für seine Vorlesungen an der Cornell University 1965 vorbereitet hatte, als Morale et histoire 2005 und das Material für die Konferenz in Rom 1964 als Les racines de l'éthique 2015. Diese Texte sind Teil eines größeren Korpus rund um Questions de méthode (1957) und Critique de la raison dialectique (1960). Es ist ein Korpus, zu dem auch die Vorlesung an der Universität von Araraquara in Brasilien (1960), die Vorlesung am Gramsci-Institut in Rom, die unter dem Titel Qu’est-ce que la subjectivité?  veröffentlicht wurde (1961), die Diskussion über Dialektik, veröffentlicht als Marxisme et existentialisme[1] (1961), sowie der Essay L'anthropologie (1966) und das Interview in L'Arc (1966). Im Gegensatz zu diesen Texten sind Les racines de l'éthique und Morale et histoire ausschließlich der Ethik gewidmet. Vor der Veröffentlichung der „vollständigen“ Texte auf Französisch waren nur Auszüge verfügbar. Determination et liberté war ein größeres Extrakt aus der Vorlesung in Rom und wurde 1970 in den Les écrits de Sartre von Michel Contat und Michel Rybalka veröffentlicht. Von den Vorträgen, die Sartre für die Cornell-Vorlesungen vorbereitet hatte, welche er aus Protest gegen die Eskalation des Vietnamkrieges durch die USA absagte, wurde nur der kleine Teil über Kennedy und West Virginia 1991 in Sartre Alive veröffentlicht.

Wer mehr über Sartres Ethik der 1960er Jahre wissen wollte, musste einen der zahlreichen Aufsätze lesen, die Bowman und Stone vor allem in den Jahren zwischen 1983 und 1992 veröffentlicht hatten. Sie waren die Hauptquelle für das, was wir über Sartres zweite Ethik vor 2005 wissen konnten. Obwohl die Texte, die Sartre für den Vortrag in Rom und die Vorlesungen an der Cornell University schrieb, schon vor vielen Jahren auf Französisch veröffentlicht wurden, sind sie noch immer weitgehend unbekannt, nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb des französischsprachigen Raums. Das scheint sich nun endlich zu ändern. Elisa Reato und Hadi Rizk haben 2023 einen Sammelband mit mehreren Aufsätzen von französischen und belgischen Sartre-Spezialisten herausgegeben, der den Titel Sartre, la morale et l'histoire trägt. Und im Frühjahr 2023 ist das Buch Reading Sartre's Second Ethics von Bowman und Stone erschienen, die in der englischsprachigen Welt erneut die Rolle des Eisbrechers übernehmen.

Dass eine Monografie einen Herausgeber hat – in diesem Fall Matthew Ally – ist selten. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass der größte Teil der von Bowman/Stone verfassten Texte aus der Zeit vor 2004 stammt, bevor diese ihr Center for Global Justice in Mexiko gründeten. Einige Unzulänglichkeiten des Buches, wie das teilweise Fehlen von Quellenangaben, sind wohl darauf zurückzuführen, dass es sich um die Veröffentlichung eines Entwurfs handelt.

Das Buch profitiert eindeutig von Bowman/Stones sehr breiten Kenntnisse der Werke Sartres. Sie beziehen sich nicht nur auf Sartres Critique, sondern auch auf viele andere Texte, von L’être et le néant von 1943 bis zum Schilpp-Interview von 1975 (publiziert 1981). Die Liste der Personen, die sie kontaktierten, als sie mit der Arbeit an Sartres zweiter Ethik begannen, liest sich wie ein Who's Who von Sartres Großfamilie der 1970er Jahre: Simone de Beauvoir, Michelle Vian, Michel Contat, Michel Rybalka, John Gerassi, André Gorz, Francis Jeanson (xix-xx).

Das Buch von Bowman und Stone basiert auf der Vorlesung in Rom und den Cornell-Notizen, wobei letztere häufiger zitiert werden, weil die Cornell-Notizen Sartres zweite Ethik ausführlicher darstellen (19). Der Leser sollte jedoch nie vergessen, dass, wie Bowman und Stone schreiben, die Lektüre „ihre Synthese“ ist und dass sie „andere dazu einladen, ihre eigenen Lektüren zu konstruieren“ (xviii).

Das einleitende Kapitel 1, Unveiling Socialism's „Ethical Structure“, ist eine Zusammenfassung dessen, was in den nächsten elf Kapiteln folgt. In Anlehnung an Questions de méthode erfolgt zunächst eine phänomenologische Beschreibung (Kap. 2-3), dann eine regressive Analyse (Kap. 4-7) und schließlich eine progressive Synthese (Kap. 8-11). Das Buch endet mit einem letzten Kapitel über die „sozialistische Moral“.

Bereits im ersten Kapitel werden Sartres Hauptgegner, die traditionellen Marxisten, identifiziert, insbesondere in der Person von Jean Kanapa, Sartres ehemaligem Schüler, der zum stalinistischen Theoretiker der PCF wurde. Kapitel 2 (40-55) ist vor allem dem Sieg Kennedys über Humphrey bei den Vorwahlen für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 1960 gewidmet[2]. Dieses Ereignis war für Sartre wichtig, weil es das im Vergleich zu wirtschaftlichen Faktoren höhere Gewicht moralischer Argumente bewies. Im Gegensatz zu den Marxisten betonte Sartre stets die Bedeutung der Moral, die er eher als Teil der Basis denn als Teil des Überbaus betrachtete.

Im folgenden Kapitel beschreiben Bowman/Stone Sartres verschiedene Arten von Normen: Institutionen (die ethische Imperative formulieren), Sitten, Werte, Güter, vorbildliche Personen und Verhaltensweisen sowie Ideale (60- 68). Was diese breite Palette von Normentypen eint, ist ihr Charakter als „unbedingte Möglichkeit“. Bei diesem Konzept der „unbedingten Möglichkeit“ bezieht sich Sartre auf Kants These vom „Sollen impliziert Können“ (69)[3]. Normen sind das Produkt menschlichen Bewusstseins, der Praxis, und werden oft in Praktisch-inertes transformiert (73). Der daraus resultierende Widerspruch zwischen Praxis und Praktisch-Inertem ist eine wichtige Quelle der Entfremdung (77-78).

Gestützt auf die Aussage in Saint Genet, dass Moral zugleich unvermeidlich und unmöglich ist (85), untersuchen Bowman/Stone in den Kapiteln 4 und 5 die Lebbarkeit von Normen. Infolge des Konflikts zwischen dem „unbedingten Möglichen“ und der „bedingten Geschichte“ ist Kasuistik ein vorherrschendes Verhalten. In diesem Zusammenhang zitiert Sartre eine Umfrage unter jungen Gymnasiastinnen, deren wichtigstes Ergebnis war, dass 90 % von ihnen lügen, obwohl 95 % Lügen für unmoralisch halten (86). Ein weiterer Fall, den Sartre ausführlich diskutiert, ist der eines Ehemannes, der erfährt, dass seine Frau unheilbar an Krebs erkrankt ist. Soll er ihr die Wahrheit verschweigen und ihr noch ein paar Monate eines Lebens ohne Sorgen schenken? (94-102, 104-118) Sartre kontrastiert die mit der Kasuistik verbundene mauvaise foi mit dem „ethischen Radikalismus“, den Jean-Michel Bloch als alternatives ethisches Verhalten in so genannten „großen Umständen“ („grandes circonstances“) sieht (88). Anhand dieser Beispiele kommen Bowman/Stone zu dem Schluss, dass nach Sartres Ethik der 1960er Jahre „moralische Konflikte unvermeidlich sind [...] und dass solche unvermeidlichen Konflikte minimiert werden können [...]“ (133).

In den Kapiteln 6 und 7 betonen Bowman/Stone die Bedeutung der Erfindung als moralisches Moment im historischen Handeln. Sie beziehen sich dabei auf die Geschichte, die Sartre in L’existentialisme est un humanisme über sich und seinen Schüler erzählt[4]. Die Erfindung ist ein grundlegendes Moment der Praxis (149), und dies schließt auch die Moral als Aspekt der Praxis ein. Die Erfindung ist die Quelle allen Ethos (159). Das Schweigen unter der Folter beweist, dass es unbedingte Möglichkeiten in allen Handlungen, auch in extremen Situationen, gibt (161). Nichts, was wir tun, ist ohne ethischen Sinn (184). In diesem Zusammenhang erörtern Bowman/Stone den von Sartre beschriebenen Widerspruch zwischen dem Historischen und dem Ethischen (183-185) ebenso wie – und vor allem – die Diskussion zwischen Sartre und den Strukturalisten – warum Bowman/Stone sie als „marxistische“ Strukturalisten bezeichnen (188), bleibt allerdings unerklärt: im Gegensatz zu Althusser waren Lévy-Strauss und Foucault keine Marxisten.

Nach der Erörterung dessen, was Bowman/Stone das „regressive Moment“ nennen, setzen sie in Kapitel 8 mit der Ausarbeitung des „progressiven Moments“ fort, beginnend mit zwei Kapiteln über das Paradoxon des Ethos. Das Paradoxon des Ethos besteht darin, dass die Normen „uns erlauben, uns in ihrem Licht als Subjekt der Innerlichkeit trotz äußerer Bestimmungen zu produzieren und [...] unsere reine Zukunft auf die wiederholte Vergangenheit zu beschränken.“ (219) Sartre führt in diesem Zusammenhang den Begriff des „Ethos“ ein, verstanden als gegebene moralische „Gemeinplätze“ und „geteilte moralische Überzeugungen, die helfen, soziale Ganzheiten zu vereinheitlichen“ (219). Das Paradoxon des Ethos ergibt sich aus der Tatsache, dass die „Bekräftigung einer reinen Zukunft immer eine spezifische Form annimmt, weil sie immer unter konkreten Umständen geschieht“ (220). Bowman/Stone erörtern dann die Beziehungen zwischen Zielen und Mitteln, reiner Zukunft und wiederholter Vergangenheit. Sie analysieren kurz Sartres Diskussion der Lütticher Kindsmorde im Zusammenhang mit Contergan. Dieser Fall widerlege die Position der Strukturalisten, die das Paradoxon der Normen leugnen. (227, 247). Bowman/Stone schließen ihre Analyse des Paradoxons des Ethos mit sechs kritischen Exkursen ab, die sich insbesondere mit der Beziehung zwischen Sartres Ethik und Marx befassen. Ihre Schlussfolgerung ist, dass „Sartre weit über die marxistische Tradition der Moral“ hinausgeht (264).

Die Kapitel 10 bis 12 befassen sich mit der Moral der Kolonialisten als entfremdeter Menschheit, der Moral der Kolonisierten als beginnender Moral sowie mit der „sozialistischen Moral“ und der Durchführung der Revolution. Hier geben uns Bowman/Stone eine Interpretation von Kapitel 3 der Rom-Vorlesung, einem Abschnitt, der aus unbekannten Gründen keine Entsprechung in den Cornell-Notizen hat. Für Bowman/Stone ist dieses Kapitel 3 der Höhepunkt von Sartres zweiter Ethik. Nach ihnen wird der Abschnitt in den Cornell-Vorlesungen nicht behandelt, weil Sartre die Arbeit abbrach, bevor er zu dieser „progressiven Synthese“ (19) kam[5]. Eine andere Erklärung könnte sein – und ich schließe mich eher dieser an –, dass Sartre, der als einziger unter den Referenten – Garaudy, Schaff, Kosík, Marković, Luporini, della Volpe – nicht als Marxist anerkannt war, mit seinen Äußerungen über Moral in den Kolonien und über sozialistische Moral sein Profil als fortschrittlicher Intellektueller schärfen wollte. Trotz dieser Differenz im Verständnis des Kapitels 3 der Rom-Vorlesung war es interessant, diesen Teil von Bowman/Stones Ausführungen Kapitel zu lesen. Bowman/Stone analysieren den Rassismus als die entfremdete Moral der kolonialen Praxis. Sie diskutieren auch Sartres Thesen, dass die Wurzeln der Ethik in den Bedürfnissen, in der Animalität des Menschen liegen (312) und dass die Menschheit das kollektive Ziel ist. Das Ziel der Unterdrückten ist die autonome Menschlichkeit (313, 323). Diese autonome Menschlichkeit ist für Bowman/Stone das zentrale Thema der sozialistischen Ethik. Sie betonen, dass gemäß Sartres Definition von Normen als unbedingter Möglichkeit auch die Verwirklichung einer solchen autonomen Menschlichkeit möglich ist. Nicht sofort, nicht durch individuelles Handeln, aber die Zukunft ist und kann gemacht werden, konstruiert durch Praxis (351).

Mit 400 Seiten ist Bowman/Stones Lektüre der Rom-Vorlesung und der Cornell-Notizen eine ausführliche Darstellung von Sartres zweiter Ethik. Dennoch gibt es einige Punkte, die ich vermisst habe. Ich hätte erwartet, dass dem grundlegenden Widerspruch zwischen dem unbedingten (inconditionnel) Charakter der Normen und der bedingten (conditionné) Geschichte, zwischen Praxis und Praktisch-inertem mehr Raum gewidmet wird. Seit L'être et le néant ist Sartre ein dialektischer Philosoph – dialektisch in dem Sinne, dass er die Widersprüche in den Mittelpunkt seiner Philosophie stellt. Erst mit dem Ende der Geschichte enden die Widersprüche, was nicht nur das Ende der Moral (Sartre in Araraquara), sondern auch den Tod, das Ende des Lebens (Sartre in Saint Genet) impliziert – was ein Ende der Geschichte als gar nicht so erstrebenswert erscheinen lässt. Eine detailliertere Analyse in dieser Hinsicht hätte eine intensivere Diskussion der Knappheit, der Gegenfinalitäten und der Erfordernisse (Sachzwänge; exigences) als Themen beinhaltet, die notwendigerweise mit moralischem Handeln verbunden sind. Dies hätte jedoch die Aussichten auf die Verwirklichung des autonomen Menschen als Ziel getrübt.

Eine vertiefte Diskussion des Verhältnisses von Praxis und Praktisch-Inertem hätte vielleicht auch zu einer anderen Einschätzung der in den Contergan-Skandal in Lüttich verwickelten Frauen geführt. Sie haben in der Tat das praktiziert, wozu Sartre uns auffordert: Moralisch zu handeln bedeutet, neue, der Situation angemessene Normen zu (er-)finden, anstatt entfremdeten moralischen Codes zu folgen, insbesondere in Form von übernommenen deontologischen Moralvorstellungen. Und ich bin überrascht, dass Bowman/Stone, die große Kenner der Sartre'schen Philosophie sind, die Bedeutung von Sartres Konzept des ethischen Radikalismus nicht voll erkannt haben. Sartre verkündete hier indirekt, dass er die frühere Position von Camus akzeptiert, der für die Strenge ethischer Normen und gegen Sartres Vorliebe für Kompromisse zwischen Mitteln und Zielen argumentierte, wie sie Sartre in Les mains sales und Le diable et le bon dieu verteidigte. Die Position des ethischen Radikalismus in wichtigen politischen Situationen ermöglichte es Sartre auch, seinen politischen Ansatz zu ändern, indem er nicht mehr die Unterstützung mächtiger Parteien wie der Kommunisten suchte, sondern kleinerer Gruppen wie der Gauche Prolétarienne, auch wenn die Chancen gering waren, dass diese einen bedeutenden politischen Einfluss ausüben konnten.

Die Lektüre des Buches von Elizabeth Bowman und Robert Stone über Sartres zweite Ethik ist ein guter Ausgangspunkt, um sich mit Sartres Ideen in den 1960er Jahren vertraut zu machen. Ihr Buch steht in einer Reihe mit den vielen Essays, die sie zuvor über Sartres zweite Ethik geschrieben und die ihnen so viel Respekt eingebracht haben. Es ist zu hoffen, dass das neue Buch von Bowman/Stone viele eifrige – und hoffentlich auch kritische – Leser findet.

Sartres Notizen zu seiner zweiten Ethik sind von gleicher Bedeutung wie die Kritik und ihre Theorie der praktischen ensembles, d.h. der Serien und der verschiedenen Arten von Gruppen, einschließlich der Institutionen. Die Notizen von Cornell und Rom sollten unbedingt übersetzt werden – und zwar in einer vollständigen und korrekten Fassung. Es ist das Verdienst von Bowman und Stone, dass sie auf Unterschiede zwischen dem veröffentlichten Text und dem Text, der ihnen vorlag, hingewiesen haben. Tatsächlich hat die Équipe Sartre-ITEM den Herausgebern bereits vorgeschlagen, eine vollständige Fassung von Morale et histoire herauszugeben. Noch wichtiger ist, dass Bowman und Stone in ihrem Buch darauf hinweisen, dass es noch etwa tausend Seiten ungeordneter Notizen gibt, das sog. „Gerassi-Bündel“, das noch unveröffentlicht ist. Mein bescheidener Wunsch ist, dass diese Texte – einschließlich des „Gerassi-Bündels“ – bald als Buch in den Regalen unserer Bibliotheken erscheinen werden. Sartres zweiter Teil seiner Philosophie, der zwischen 1955 und 1968 entstanden ist, verdient großen Respekt: Er ist ein wahrer Fundus an Ideen für das, was wir heute Sozialontologie nennen.

Alfred Betschart

25.9.2023


[1] Der Text Marxisme et existentialisme, auf Deutsch als Existentialismus und Marxismus veröffentlicht, darf nicht mit Questions de méthode verwechselt wurde, die zuerst auf Polnisch und dann auf Deutsch zunächst als Marxismus und Existentialismus erschienen. Die deutsche Version von Questions de méthode trägt mittlerweile den Titel Fragen der Methode.


[2] Sartre schrieb die Ereignisse, die sich in West Virginia abspielten, irrtümlicherweise Wisconsin zu.


[3] Sartre schreibt unter Bezugnahme auf Kant: „Tu dois, donc tu peux“, d.h. „Du musst, also kannst Du“. Manchmal wird Kant auch mit „Ich kann, weil ich will, was ich muss“ zitiert. Keine der Versionen findet sich jedoch in dieser Formulierung bei Kant. In der Kritik der reinen Vernunft heißt es nur: „Denn, da sie [die Vernunft; A.B.] gebietet, daß solche [Handlungen] geschehen sollen, so müssen sie auch geschehen können“. Bei Schiller steht in dessen Gedicht Die Philosophen: „Du kannst, denn du sollst!“, bei Fichte in Ueber den Grund unseres Glaubens: „ich kann, denn ich soll“, und bei Schopenhauer in Über die Freiheit des menschlichen Willens unter Bezugnahme auf Kant: „du kannst, weil du sollst“.


[4] Der Schüler (Jacques-Laurent Bost?) stand vor dem Dilemma, ob er im Zweiten Weltkrieg nach England übersetzen und sich den französischen Truppen anschließen oder seiner Mutter in Frankreich helfen soll. Sartres Antwort war: „Sie sind frei, wählen Sie, das heißt, erfinden Sie.“


[5] Ich habe den Verdacht, dass Bowman/Stone den Ausdruck „progressiv“, wie Sartre ihn in Questions de méthode verwendet, nämlich als „vorwärtsschauend“ im Sinne des Entwurfs, mit dem politischen Verständnis von progressiv als fortschrittlich verwechseln.